Veronica Ferres hat schon so ziemlich alles erlebt. Die vielleicht erfolgreichste deutsche Schauspielerin der vergangenen 30 Jahre hat aber immer noch ein großes Herz für das Theater, den deutschen Film und das Rheinland. Aktuell ist sie in der neuen Staffel der „Mordsschwestern“ zu sehen.
Frau Ferres, eine Zeit lang kursierte das Gerücht, Sie seien ziemlich unnahbar? Woher kam das?
Das müssen Sie wohl die Leute fragen, die Ihnen das erzählt haben.
Ich dachte, Sie würden das mit der berühmten bergischen Skepsis begründen, weil Sie aus Solingen stammen, auch wenn Sie seit längerer Zeit in München leben.
Ja klar, es ist die bergische Skepsis (lacht). Aber im Ernst: Meine Mutter stammt aus Düsseldorf. Ich verbinde eine lange Geschichte mit dieser Stadt und dem Rheinland. Wir haben unsere Kindheit immer auf den Feldern und am Rheinufer von Kappes-Hamm, einem Stadtteil von Düsseldorf, verbracht. Und im Rheinland wie auch im Bergischen Land haben die Menschen eigentlich das Herz am richtigen Fleck.
Das gilt auch für Ihre Figur der operativen Fallanalytikerin Dr. Astrid Brockhaus im Team der „Mordsschwestern“. Was hat Sie daran gereizt, wieder in einem klassischen Krimi-Format mitzuwirken?
Mich hat das Drehbuch direkt angesprochen. Es war so spannend geschrieben. Daher wollte ich unbedingt die Macher der Serie kennenlernen. Als ich las, dass die Regisseurin Suki Roessel als Mitautorin fungierte, war mir klar, dass ich diese Frau treffen wollte. Und Miriam Düssel von Akzente-Film ist eine ganz tolle Produzentin, die auch hier in München lebt. Wir haben uns dann kennengelernt, und es war von vornherein wirklich super. Man wollte wissen, was ich über die Rolle denke und hat meine Gedanken dazu eingebaut. Das war eine wirklich schöne und ungewohnte Erfahrung für mich.
Wie würden Sie Ihre Figur beschreiben?
Astrid Brockhaus ist eine Frau, die nach Flensburg in ein schon bestehendes Team versetzt wird, das es ihr nicht leicht macht. Sie ist aber frech und weiß zum Leidwesen der Kolleginnen und Kollegen immer alles besser aufgrund ihrer Qualifikation. Daher macht sie sich keine Freunde, aber das ist ihr egal. Sie will nur die Fälle lösen. Diese Figur ist unvorhersehbar, lustig, und manchmal denkt man, dass sie spinnt und begreift erst später, warum sie etwas macht, wie sie es macht. Die Rolle ist sehr kurzweilig geschrieben.
Wie war die Zusammenarbeit mit dem Ensemble?
Das war eine ganz wunderbare Erfahrung. Caroline Hanke ist sehr lustig. Sie hat ein Talent für Komik, das es nur ganz selten gibt. Und in Kombination mit ihrem Kollegen Claudiu Mark Draghici wird daraus ein Knaller-Paar. Lena Dörrie und Tamer Trasoglu sind ebenfalls großartige Kollegen. Ich habe Tamer als sehr disziplinierten Kollegen kennengelernt, und Lena Dörrie geht ebenfalls sehr fokussiert mit diesem riesigen Paket um, das sie aufgrund ihrer Rolle tragen muss. Ich habe die Zeit sehr genossen.
Heutzutage fällt es ja schwer, im Meer der vielen Krimis den Überblick zu behalten.
Ich habe ja mal gesagt, dass man den Grimme-Preis eigentlich Krimi-Preis nennen sollte (lacht).
Eben. Wie erklären Sie sich diesen irrsinnigen Erfolg des Genres?
Ich kann mir das nicht erklären. Vielleicht ist es die Faszination dafür, dass man die Abgründe der Menschen erlebt, sich dabei aber trotzdem sicher fühlt? Oder der Reiz des Verbotenen? Ich weiß es aber nicht.
Lesen Sie im Urlaub eher Krimis oder eher etwas anderes?
Drehbücher (lacht).
Das ist doch dann kein Urlaub.
Stimmt, also eher andere Sachen. In erster Linie Romane aus verschiedenen Genres.
Als Sie gestartet sind, war die Vielfalt der Charaktere, die Sie später verkörpert haben, noch gar nicht abzusehen. Denkt man an frühe Rollen wie die der Schulsekretärin in „Unser Lehrer Doktor Specht“ Anfang der 1990er, dann kann man den Verdacht hegen, Sie hätten vielleicht ein wenig befürchtet, auf eine Figur festgelegt zu werden.
Ich wollte ja eigentlich immer nur Theater spielen und nichts anderes. Da muss man vielfältig sein. Dann kamen die ersten Film- und Fernsehangebote. Das erste war von Edgar Reitz. Ich hatte 30 Drehtage in „Die zweite Heimat“. Dann kam bereits mein erster Tatort mit Götz George. Oh Mann, ich habe tatsächlich in meinem ersten Tatort mit Götz George gespielt. Später kam auch ein Münchener Tatort hinzu. Aber eigentlich war das Theater weiterhin das Wichtigste für mich. Das waren zu Beginn das Kellertheater, dann irgendwann das Bayerisches Staatstheater, das Düsseldorfer Schauspielhaus, das Landestheater Coburg – ich wollte nie Filme machen. Dann hatte ich ein Casting für „Schtonk“, der Film wurde für den Oscar und den Golden Globe nominiert, und der Rest ist Geschichte.
Trotzdem zog und zieht es Sie weiter zum Theater.
Richtig. Ich spiele aktuell in einem Zwei-Personen-Stück namens „Stahltier“ zusammen mit John Malkovich, und wir gehen damit auch auf Tournee. Theater ist und bleibt meine Leidenschaft. Ich habe als 14-Jährige bei Pina Bausch am Tanztheater Wuppertal meine ersten Erfahrungen gesammelt, das hat mich bis heute geprägt.
Das Timing beim Theater ist ein völlig anderes als vor der Kamera. Vieles ergibt sich aus dem Moment. Wie gehen Sie mit diesen Unterschieden und Herausforderungen um?
Natürlich ist es erst mal wie ein anderer Beruf, wenn man lernen muss, mit der Technik am Set umzugehen. Aber das Theaterspiel ist eine großartige Basis – auch für die Arbeit vor der Kamera. Ich brauche das Theater spielen jedenfalls hin und wieder.
Wie überzeugt man große Produktionsfirmen davon, dass man letztlich alles spielen kann?
Das weiß ich auch nicht. Ich mache ja nach wie vor Castings und versuche dabei, mein Bestes zu geben. Dann kommt es immer noch darauf an, ob das Gesicht oder die Konstellation mit den anderen Schauspielern passt. Da kommt vieles zusammen. Ich hatte aber glücklicherweise Menschen, die an mich geglaubt und mit vieles zugetraut haben. Und das ist natürlich großartig.
Das hat auch dazu geführt, dass Sie zu einer der wenigen deutschen Schauspielerinnen wurden, die auch in Hollywood erfolgreich sind. Unterscheiden sich die Sets solcher Blockbuster wie „Pay The Ghost“ von denen hiesiger Produktionen?
Die Arbeit ist immer gleich: In dem Moment, wo die Kamera läuft, geht es um alles, um Leben und Tod, und man ist auf sich gestellt. Aber die Geschichte und die Rolle tragen einen schließlich. Und ich bin sehr glücklich und dankbar, dass ich beispielsweise kürzlich die weibliche Hauptrolle in „The Unholy Trinity“ an der Seite von Pierce Brosnan und Samuel L. Jackson spielen durfte. Der Film feiert übrigens am 12. Oktober beim Zürich Film Festival Weltpremiere. Das ist schon ein Highlight.
Sie spielen auch in solchen Riesen-Produktionen immer andere Charaktere und sind nicht auf einen Typen festgelegt.
Darüber bin ich auch sehr froh.
Manchmal steht auch nur ein Kurzauftritt im Raum wie in „The Bricklayer“, wo sie nach zehn Sekunden erschossen werden.
Ja, ich wollte unbedingt mit Renny Harlin drehen. Und aufgrund von der schönen Zusammenarbeit bei „The Bricklayer“ hat er mich dann gleich für zwei Hauptrollen besetzt, die ich leider nicht hinbekommen habe, weil sich Drehtage mit einem anderen Projekt überschnitten hatten, für das ich schon unterschrieben hatte.
Das nennt man dann wohl Pech.
Allerdings, sehr schade, aber man sieht sich immer zweimal. Aber wo wir gerade beim Thema Hollywood sind: Die Amerikaner sagen immer: Es gibt keine kleinen Rollen, sondern nur kleine Schauspieler. Man kann jede Rolle mit Würde und Kraft umsetzen.
Trotz der internationalen Erfolge schlägt Ihr Herz aber auch nach wie vor für heimische Formate.
Es gibt viele sehr gute deutsche Produktionen, und mir macht es großen Spaß, wieder mehr hier zu arbeiten. Ich habe kürzlich eine ZDFneo-Serie in Hameln gedreht, dann „Andere Eltern“ für das ZDF, und natürlich „Mordsschwestern“. Gerade bin ich in Vorbereitung für eine deutsche Netflix-Serie. Zudem drehe ich noch zwei deutschsprachige 90-Minüter und danach für Disney Plus.
Ist Ihnen eigentlich irgendetwas von früher peinlich? Zum Beispiel eine Komödie wie „Voll Normaaal“ aus dem Jahr 1994?
Wenn mir das peinlich wäre, hätte ich es wohl aus meinem Instagram-Account gelöscht. Nein, das war eine wunderbare und sehr witzige Erfahrung.
Mit Schlüsselsätzen wie „Dat bezahlste mir du Schwein…“
…sonst krisse voll die Tasche am schmecken (lacht).